1. Wie sieht in Deutschland die Situation für Menschen mit HIV im Berufsleben aus?

Rund zwei Drittel der etwa 85.000 Menschen mit HIV in Deutschland sind erwerbstätig. Statistisch gesehen ist eine_r von 800 Beschäftigten HIV-positiv.

In einer 2011/2012 in Deutschland durchgeführten Befragung von 1.148 HIV-Positiven gaben 29 Prozent der in Voll- oder Teilzeit Beschäftigten an, im Beruf offen mit der HIV-Infektion umzugehen. Von ihnen berichteten 45 Prozent über Unterstützung durch Arbeitgeber_innen, 29 Prozent von einer neutralen und 26 Prozent von einer diskriminierenden Reaktion.

Die große Mehrheit der Befragten legt die Infektion im Beruf allerdings nicht offen – viele, weil sie finden, dass das niemanden etwas angeht, viele aber auch aus Angst vor Benachteiligung.

2. Dürfen Menschen mit HIV weiter arbeiten?

Die Antwort ist ein ganz klares Ja! Wenn im Arbeitsalltag  die üblichen Hygiene- und Arbeitsschutzmaßnahmen eingehalten werden, besteht für niemanden eine Ansteckungsgefahr.  Es gibt also keine Berufsverbote für Menschen mit HIV. Das gilt auch für die Pflege, die Kinderbetreuung und Erziehung oder die Gastronomie.

Einschränkungen gibt es nur für Chirurg_innen, bei denen noch HIV im Blut nachgewiesen werden kann. Sie sollten dann keine verletzungsträchtigen operativen Tätigkeiten durchführen. Dies entfällt jedoch bei erfolgreicher Therapie, da dann kein Virus mehr im Blut nachgewiesen werden kann. 

Komplikationen kann es bei Jobs geben, die mit Arbeitseinsätzen in Ländern verbunden sind, in denen Einreise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Menschen mit HIV gelten (Informationen gibt es hier). Für Tätigkeiten in den (Sub-)Tropen muss man besonders körperlich belastbar sein (Stichwort: Tropentauglichkeit). Ob man trotz HIV-Infektion dafür geeignet  ist, hängt vom individuellen Gesundheitszustand ab.

Wichtig: Früher galt man mit einer HIV-Infektion als fluguntauglich. Dies gilt heute nicht mehr. Bei Pilot_innen ist für die Flugtauglichkeit der aktuelle Gesundheitszustand maßgeblich, nicht die HIV-Infektion.

3. Sind Menschen mit HIV überhaupt leistungsfähig?

Ja! Die Erfahrungen und eine Studie aus England zeigen, dass Menschen mit HIV im Schnitt genauso leistungsfähig sind wie ihre Kolleg_innen. Sie müssen zwar voraussichtlich ihr Leben lang Medikamente einnnehmen,  haben jedoch bei rechtzeitiger Diagnose und Behandlung eine annähernd normale Lebenserwartung bei guter Lebensqualität. 

Eine kleine Gruppe leidet unter mittleren bis schweren Nebenwirkungen der Behandlung. Dies kann sie zeitweise oder anhaltend in ihrer Leistungsfähigkeit einschränken. Die meisten Behandelten haben jedoch keine oder nur zu Beginn mit Nebenwirkungen zu tun, die aber nach ein paar Wochen vergehen. Sie können in der Regel uneingeschränkt ihrem Beruf nachgehen.   

4. Gibt es Gefahren für Kolleg_innen oder Kund_innen?

Nein. HIV ist ein schwer zu übertragendes Virus und wird vor allem sexuell und beim gemeinsamen Gebrauch von Spritzen übertragen. Im Arbeitsalltag besteht kein Infektionsrisiko für Kolleg_innen oder Kund_innen, auch nicht in Bereichen wie der Pflege, der Kinderbetreuung oder der Gastronomie. Und auch im Erste-Hilfe-Fall reichen die üblichen Schutz- und Hygienevorschriften aus, um eine Übertragung zu verhindern.

5. Darf der Arbeitgeber_innen nach einer HIV-Infektion fragen?

Die Frage nach dem HIV-Status darf nur gestellt werden, wenn er für die Tätigkeit relevant ist (siehe unten). Ansonsten muss die Frage zum Beispiel in einem Bewerbungsgespräch oder einem Personalfragebogen, nicht wahrheitsgemäß beantwortet werden.

Ausnahmen gibt es 

6. Ist ein HIV-Test für bestimmte Berufe vorgeschrieben?

Nein, ein HIV-Test gehört nicht zur Einstellungsuntersuchung und auch nicht zu arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen. Zwar wird oft behauptet, ein (negativer) HIV-Test sei für bestimmte Arbeitsbereiche notwendig, zum Beispiel in der Kranken-, Alten-, Kinder- und Jugendpflege oder auch bei Labortätigkeiten. Dies ist aber nicht richtig. Da HIV im Arbeitsalltag nicht übertragen werden kann, haben selbst „freiwillige“ HIV-Tests hier nichts zu suchen – im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses kann ein solcher Test auch nie freiwillig sein.

7. Muss die Belegschaft über die HIV-Infektion eines Mitarbeiters/einer Mitarbeiterin informiert werden?

Nein, das darf der Arbeitgeber auch gar nicht tun. Vielmehr hat er die Pflicht, den Datenschutz und die Privatsphäre aller Mitarbeiter_innen zu schützen. HIV-positive Kolleg_innen sind nicht verpflichtet, von ihrer Infektion zu erzählen. Da es im Arbeitsalltag keine Übertragungsgefahr gibt, wäre dies auch unnötig. Wenn sie es dennoch tun, kann dies als großer Vertrauensbeweis betrachtet werden.

8. Kann HIV-Infizierten wegen ihrer Infektion gekündigt werden?

Nein. Die HIV-Infektion ist kein Kündigungsgrund. Auch Druckkündigungen von Menschen mit HIV sind nicht rechtens, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2013 in einem Urteil klargestellt hat (Aktenzeichen 552/10).

Wenn ein_e Mitarbeiter_in über längere Zeit schwer krank ist, kann allerdings – wie bei anderen Erkrankungen auch – unter bestimmten Voraussetzungen eine sogenannte krankheitsbedingte Kündigung ausgesprochen werden.

9. Sind Menschen mit HIV durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geschützt?

Ja. Das Bundesarbeitsgericht hat Ende 2013 entschieden, dass auch eine symptomlose HIV-Infektion als Behinderung im Sinne des AGG gilt (6 AZR 190/12). Laut diesem Urteil ist die Kündigung von Arbeitnehmer_innen in der Probezeit wegen ihrer HIV-Infektion im Regelfall diskriminierend und damit unwirksam.